Ich unterrichte schon lange. Yoga und Sporttherapie. Bei der ersten Begegnung mit dem Menschen erfrage ich immer, welche Bewegungserfahrungen bereits vorhanden sind. Da mein Angebot hauptsächlich an Frauen gerichtet ist, lautet die Antwort immer häufiger: Yin Yoga oder „Faszien-Yoga“. Auf Nachfrage, warum nicht mehr praktiziert wird, kommen für mich sehr irritierende Antworten. Irritierend, weil jede Yoga-Art, welche auf Hatha-Yoga basiert, „faszial“ ist, ob dynamisch oder langsam ausgeführt. Hinzu kommt, dass Yin-Yoga anscheinend als eine „weibliche“ Yoga-Art bezeichnet wird. Zum Glück ist sind es alles nur Mythen. Yin-Yoga ist seit Jahren auch in Deutschland sehr präsent. Noch nie habe ich mich damit aus der Sicht des Verbrauchers beschäftigt. Das möchte ich jetzt tun und die Mythen „entzaubern“. Schon Mal vorab: Yin Yoga ist eine feine Disziplin auch für Männer, ist also nicht „weiblich“ und es ist viel zu schade, diese Yoga-Art auf „Faszien“ zu reduzieren. Mythos 1: Yin-Yoga ist gleich Faszienyoga „Im Internet“ entsteht leider dieser Eindruck. Selbst die Fachleute sprechen von „Faszien“ und sogar von „aufreissen“. Das tut schon beim Lesen weh! Im Rahmen meiner Recherche bin ich auf einen tollen Yoga-Lehrer aus der Schweiz, René Hug gestoßen. Seine Ausführungen haben mich sehr inspiriert, den Begriff Yin-Yoga zu erläutern. Zuerst die grobe Definition der chinesischen daoistischen Lehre, demnächst Yin-Yang-Theorie genannt. Es ist eine Lehre der Polarität, der Gegensätze. Und doch sind Yin und Yang unzertrennlich, ergänzen einander. Dort wo Yin ist, ist auch Yang! Hier sind paar Beispiele: Yang Yin hoch tief warm kalt hell dunkel oben unten außen innen Mann Frau rechts links Himmel Erde Muskeln Knochen, Sehnen, Bänder aktiv passiv Jetzt weißt Du schon, was in etwa Yin ist. Wahrscheinlich fragst Du Dich, was har die chinesische Lehre mit indischem Yoga zu tun? Ganz einfach: da Buddhismus von Hinduismus abstammt, ist Yoga neben Qi Gong, ein fester Bestandteil der Praxis in vielen Regionen Chinas. Yoga ist jedoch universell und an keine Religion gekoppelt. Ist nun Yin gleich Faszien? Ja und Nein. Das Besondere an Yin-Yoga ist, dass Faszien diesem Element zugeordnet sind, stehen also allein deshalb im Fokus. Das war es aber auch fast schon. Was sind überhaupt Faszien? Mal ist von Muskelfaszien die Rede, mal von tiefer liegendem Bindegewebe, welches wie gesagt, „aufgerissen“ werden soll, auch soll Yin -Yoga die Cellulite beseitigen. Ich muss lachen. Bei den Faszien handelt es sich tatsächlich um Bindegewebe. Ich unterscheide als Sporttherapeutin in drei Gruppen:
All diese Strukturen haben keine „eigenen“ Blutgefäße und werden über die Muskulatur/Haut versorgt. Dafür sind die Faszien „Sensibelchen“, weil sie mit Nervenenden durchwebt sind und auf jeden Kontakt mit der Außenwelt reagieren, ob physisch oder psychisch. Von besonderer Bedeutung sind für mich die viszeralen Faszien und sogenannten Diaphragmen: Zwerchfell und Beckenboden- unsere Querfaszien. Alles, aber wirklich alles in unserer Umwelt beeinflusst unsere Querfaszien. Ob Stress mit Kollegen – Schnappatmung, starker Husten – „Rippenschmerz“, sitzende Tätigkeiten, Übergewicht. Im Yin Yoga, statisch, passiv gehaltene Übungen (Yin!), werden diese Querstrukturen durch die Atmung (Yang!) mobilisiert, „massiert“. Ich sagte bereits: wo Yin ist, ist auch Yang. Yin Yoga wirkt aber noch viel tiefer. Unsere Organe Milz, Leber und Niere, die für „Reinigung“, Ausscheidung zuständig sind, sind dem Yin zugeordnet. Bekommen wir zu viel Input, Stress, falsche Ernährung, Wut, entsteht zu viel „Hitze“ (Yang) im Körper, diese Organe sind „blockiert“, funktionieren nicht mehr richtig. Yin hat beruhigende, „kühlende“ und ordnende Funktion, deshalb erleben wir manchmal, dass den Praktizierenden auch Tränen fließen oder ein „Leberentlastungslaut“ zu hören ist. In Wirklichkeit geht es im Yin-Yoga nicht um Faszien, sondern um die Meridiane (im indischen Yoga: Nadis), feinstofflichen Kanäle des Körpers. Yin Yoga ist demnach kein „Faszien-Yoga“, sondern Yoga der Ordnung, der Harmonie. Mythos 2: Yin-Yoga ist weiblich, speziell für Frauen Diese Behauptung ist für mich absurd. Argumentiert wird damit, dass Yin „weiblich“ ist. „Erfunden“ hat Yin-Yoga übrigens ein Mann. Ein amerikanischer Kampfsportler, auf der Suche nach einem Ausgleich für dynamischen Sport. Auch in der Yin-Yang-Theorie ist unsere rechte Körperhälfte Yang und die linke, Yin. Wie Ha- Sonne und Tha- Mond. Theoretisch müssten wir die Übungen nur für die rechte Körperhälfte machen, um im Yin zu bleiben. Auch die Tatsache, dass Yin-Yoga meist im Liegen oder Sitzen ausgeführt wird ist bloß der Polarität „unten“, „Erde“ geschuldet. Es ist auch der einzige Unterschied zu restorativem Yoga, dort wird auch im Stehen geübt, Dynamik „yinnisiert“. Die Männer sind jetzt vermutlich erleichtert. Du als Frau vielleicht enttäuscht? Weil Du vielleicht nach speziellem Yoga für Frauen gesucht hast? Yoga ist für alle da, unabhängig vom Geschlecht. Es gibt keinen weiblichen oder männlichen Yoga. Jedoch gibt es im Yoga „Emanzipation“. Diese hat in den 1960-ern angefangen, als die erste westliche Frau sich an Krishnamacharya (Hatha-Guru der Zeit) wandte, mit dem Wunsch Yoga zu erlernen. Der Guru war erst empört. Da die Frau in Amerika und Rußland bekannt war, sah er einen Weg, den Yoga im Westen populär zu machen. So lernte Evgenia Peterson später Indra Devi genannt, neben P. Jois (Ashtanga) und B.K.S. Iyengar die Basis – Hatha-Yoga. Die bedeutendsten Frauen im Yoga, insbesondere in Deutschland, sind Gita (häufig Geeta genannt) Iyengar und Anna Trökes (natürlich gibt es noch andere!). Der Name Iyengar ist kein Zufall. Es war jedoch nicht der berühmte Vater, weshalb Gita zum Yoga kam. Die Frauen Iyengar und Trökes verbinden Erkrankungen in jungen Jahren, die den Weg zum Yoga geebnet haben: Gita litt als Kind an Nierenproblemen und Anna saß als junge Frau im Rollstuhl. Spätestens jetzt ahnt man, dass die Genesung mit Fleiß, Disziplin und Arbeit verbunden war. Also nicht „mal eben“. So kommen wir fast zum Mythos Nr. 3, Yoga sei „sanft“. René Hug, der heute Yin unterrichtet, übte früher Ashtanga. Im Vergleich dazu ist Yin-Yoga sanft. Objektiv ist jede Yoga-Art ein langer, steiniger Weg- Körper/Geist-Arbeit. Vielmehr liegt es an Dir, wie Du übst. Verstand und Selbstmitgefühl sind gefragt. Achtsamkeit und Demut sind sehr wichtig, sonst ist jede Yoga-Art bloß sportive Akrobatik. Gemütlichkeit und „Chillen“ sind jedoch fehl am Platz, sonst ist es Alibi-Yoga. Ich habe Dir bewusst die Bilder von Gita hochschwanger ausgesucht. Sie ist im Krieger (Yang, Sonne) und auch „yinnig“ auf dem Boden. Die Moral von der Geschicht‘, Du gibst der Übung den entscheidenden Charakter. Nicht umsonst heißt die „Taube“ (Ashtanga, kraftvoll) im Yin-Yoga „Schwan“(passiv)- das Aussehen der Übung ist gleich. Das Ziel im Yoga ist immer, eine anspruchsvolle Übung mit Leichtigkeit auszuführen: der Krieger soll stolz und voller Spannung aussehen, Kraft ausstrahlen bis ins kleinste Fitzelchen deines Körpers und Deiner Seele. Der Schwan im Yin darf nicht in einen „sterbenden Schwan“ ausarten, denn wenn die Beckenknochen nicht ausgerichtet sind und alles laff und halbherzig ist, machst Du nicht nur bei Tschaikowsky keine Schnitte, sondern wunderst Dich über eventuelle Dysbalancen, gar Schmerzen. Die Faszien und Muskeln bleiben dabei „ganz“, schmerzen nicht. Konfuzius sagte: DER WEG IST DAS ZIEL. Wenn Du jedoch ernsthaft Deine „Frauenbeschwerden“ lindern möchtest, ganz gleich ob pubertär, prenatal oder wechseljahresbedingt, kann ich Dir die Werke von Gita Iyengar und Rita Keller nur empfehlen. Ein*e gute*r Lehrer*in ist Gold wert. Es ist auch egal, welche Yoga-Art Du machst, Hauptsache Du machst! Die schwierigste Übung ist immer Savasana (Endentspannung) - dort geht es nur um eines, das SEIN - und das ist eine Kunst.
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AutorMein Name ist Ines Penner. Ich bin unter anderem Sport-und Yogatherapeutin, Ernährungswissenschaftlerin (also schon mit Studium :-))) und schreibe hier über die Geschehnisse im Sport-und Yoga-"Zirkus", gebe Dir aber auch wertvolle Tipps für den Alltag. Kategorien
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